Das Städtchen B. sah viel fröhlicher aus, seitdem das ***er Kavallerieregiment in ihm Quartier genommen hatte, bis dahin war es dort entsetzlich langweilig gewesen. |
Wenn man einmal durch die Stadt fuhr und einen Blick auf die niedrigen, getünchten Häuschen warf, die mit einem ganz unglaublich sauren Gesicht dreinschauen, so.... |
nein es ist unmöglich auszudrücken, wie es einem da ums Herze wurde, -- so trübselig, als ob man sein ganzes Geld verspielt, oder bei einer unpassenden Gelegenheit eine große Dummheit gemacht hätte, -- mit einem Worte: es war einem gar nicht gut zumute. |
Der Lehm hatte sich infolge des Regens von den Häusern gelöst, und die Wände hatten ihre ursprüngliche Weiße verloren und waren ganz scheckig geworden; die Dächer sind meistens mit Rohr gedeckt, wie es in unseren südlichen Städten Brauch ist. Die kleinen Gärtchen, die die Häuser umgaben, waren längst verschwunden, da der Stadthauptmann die Bäume des besseren Aussehens wegen hatte fällen lassen. |
Auf den Straßen begegnete man keiner Seele, es sei denn, daß ein Hahn quer über den Fahrdamm ging, der infolge des hohen Staubes so weich wie ein Kissen war. |
Dieser Staub verwandelt sich beim geringsten Regen in Dreck, und dann fanden sich in den Straßen des Städtchens B. jene fetten Tiere ein, die von dem zuständigen Stadthauptmann »Franzosen« genannt wurden, streckten die ernsten Schnauzen aus ihren Badewannen und stimmten ein solches Grunzen an, daß dem Vorüberfahrenden nichts übrig blieb, als die Pferde zu schnellerem Laufe anzutreiben. |
Allerdings war es schwer, im Städtchen B. einem solchen zu begegnen. Nur selten, ganz selten, rasselte ein mit einem Nankingrock bekleideter Gutsbesitzer, der elf Bauernseelen sein eigen nannte, auf einem kleinen Wagen oder Wägelchen hindurch, indem er hinter den aufgestapelten Mehlsäcken hervorlugte und mit der Peitsche auf die braune Stute einhieb, der stets ein Füllen folgte. |
Der Marktplatz selbst hatte ein etwas trauriges Aussehen: das Haus des Schneiders ging törichterweise nicht mit der Fassade, sondern mit einer Ecke auf den Platz hinaus; ihm gegenüber wurde bald an die fünfzehn Jahre lang an einem steinernen Hause mit zwei Fenstern gebaut, und ferner sah man dort einen ganz für sich stehenden modernen Bretterzaun, der grau angestrichen war, damit er nicht so von dem Schmutze abstach. Diesen hatte der Stadthauptmann einmal in seiner Jugend, als er noch nicht die Gewohnheit hatte, gleich nach dem Mittagessen zu schlafen und zur Nacht ein gewisses, aus getrockneten Stachelbeeren bereitetes Gebräu zu trinken, zum Muster für die anderen Bauten errichten lassen. Sonst begegnete man überall nur geflochtenen Zäunen. |
Mitten auf dem Platze standen mehrere winzige Buden, in denen man immer einen Bund Bretzeln, ein Weib in einem roten Kopftuch, ein Pud Seife, ein paar Pud bittere Mandeln, Schrot zum Schießen, starkes baumwollenes Zeug und zwei Ladenburschen finden konnte, die zu jeder Tageszeit vor den Türen standen und Swajka spielten. |
Sowie jedoch das Kavallerieregiment im Kreisstädtchen B. Quartier genommen hatte, änderte sich alles ganz plötzlich. |
Das Straßenbild wurde bunter, belebte sich -- und nahm, mit einem Wort, ein ganz anderes Aussehen an; die niedrigen Häuschen sahen des öfteren einen gewandten, schlanken Offizier mit einem Federbusch auf dem Kopfe vorübergehen, der zu einem Kameraden ging, um sich mit ihm über die Avancementverhältnisse und den vorzüglichen Tabak zu unterhalten, oder ein Spielchen zu machen, bei dem eine Droschke den Einsatz bildete: ein Gefährt, das man wohl mit Recht die Regimentsdroschke nennen konnte, da sie, ohne das Regiment zu verlassen, bei allen die Runde machte: -- heute fuhr der Major in ihr, morgen erschien sie in der Remise eines Leutnants, und eine Woche darauf war sie wieder beim Major, dessen Bursche sie gründlich mit Öl einschmierte. |
Die geflochtenen Zäune zwischen den Häusern waren überall mit Soldatenmützen geziert, die in der Sonne hingen; stets flatterte ein grauer Mantel vom Tore herab, und in den Gäßchen stieß man immer auf Soldaten, deren Schnurrbärte so borstig waren, wie eine Stiefelbürste. |
Diese Schnurrbärte fehlten nirgends: wenn sich die Kleinbürgerinnen einmal mit ihren Krügen auf dem Marktplatze versammelten -- so guckten hinter ihren Schultern ganz sicher ein paar solche Schnurrbärte hervor. |
Die Offiziere brachten etwas Leben in die Gesellschaft, die bis dahin nur aus dem Richter, der zusammen mit einer Diakonuswitwe ein Haus bewohnte, und dem Stadthauptmann bestand: einem ruhigen und bedächtigen Menschen, der aber den ganzen Tag über -- vom Mittagessen bis zum Abend, und vom Abend bis zum nächsten Mittagessen -- zu schlafen geruhte. |
Die Gesellschaft wurde noch zahlreicher und interessanter, nachdem das Quartier des Brigadegenerals hierher verlegt wurde. |
Die Gutsbesitzer aus der Umgebung, von deren Existenz bis dahin niemand etwas geahnt hatte, fingen jetzt an, des öfteren in dem Kreisstädtchen zu erscheinen, um mit den Herren Offizieren zusammenzutreffen, oder manchmal eine Partie Whist mit ihnen zu spielen, ein Spiel, von dem ihr durch die vielen Gedanken an die Aussaaten, die Aufträge der Ehefrau und an die Hasenjagden abgeplagtes Gehirn nur noch eine ganz dunkle Ahnung hatte. [Fußnote 5: Das Spiel besteht darin, daß ein langer Nagel mit schwerem Kopfe so geworfen wird, daß er sich innerhalb eines eisernen Ringes in die Erde einbohrt.] |
Es tut mir sehr leid, daß ich mich nicht daran erinnern kann, was die Veranlassung war, daß der Brigadegeneral einmal ein großes Diner gab; die Vorbereitungen, die zu diesem Feste getroffen wurden, waren ganz außerordentlich; schon am Stadttor konnte man hören, wie in der Küche des Generals mit den Messern geklappert wurde. |
Ja, für dieses Diner waren die ganzen Marktvorräte aufgekauft worden, sodaß der Richter mit seiner Diakonuswitwe nichts als Kuchen aus Buchweizenmehl und Kartoffelbrei zu essen bekam. |
Der kleine Hof, der zu der Wohnung des Generals gehörte, war ganz mit Droschken und Kaleschen gefüllt. |
Die Gesellschaft bestand ausschließlich aus Herren: aus den Offizieren des Regiments und einigen Gutsbesitzern des Kreises. |
Von den letzteren war Pythagor Pythagorowitsch Tschertokutski sicher der bemerkenswerteste. |
Dies war einer der vornehmsten Aristokraten des B.er Kreises, der bei den Wahlen mehr Lärm machte, als alle andern zusammen und stets in einer prächtigen Equipage zu erscheinen pflegte. |
Er hatte früher bei einem Kavallerieregiment gedient und zu den schneidigsten und angesehensten Offizieren gehört; wenigstens war er auf allen Bällen und Festen und überall dort zu sehen gewesen, wo sein Regiment sich gerade aufhielt; darüber kann man sich übrigens am besten bei den Jungfrauen des Tambower und Ssimbirsker Gouvernements erkundigen, doch ist es nicht unmöglich, daß er auch in den übrigen Gouvernements zu einer gewissen Berühmtheit gelangt wäre, hätte er nicht infolge einer sogenannten unliebsamen Affäre seinen Abschied genommen. |
Hatte er jemandem eine Ohrfeige verabfolgt, oder hatte er selbst eine solche erhalten, dessen kann ich mich nicht mehr genau entsinnen; die Hauptsache war, daß er ersucht wurde, seinen Abschied zu nehmen. Darum hatte er aber doch nicht das geringste an seiner Würde eingebüßt; er trug einen Frack mit einer langen Taille, der die Form eines Waffenrockes hatte, Sporen an den Stiefeln und einen Schnurrbart unter der Nase, weil sonst wohl gar noch ein Edelmann annehmen konnte, daß er bei den Fußtruppen gedient hätte, die er verächtlich »Fußschleicher« oder manchmal gar »Trampeltiere« nannte. |
Er besuchte sämtliche Jahrmärkte, auf denen es immer sehr lebhaft zuging, und wo sich das ganze Innere Rußlands, das aus Müttern, Kindern, Töchtern und dicken Gutsbesitzern besteht, auf Wagen, Kaleschen, Dormeusen und solchen Karossen, wie sie noch niemand, auch nur im Traume gesehen hatte, zu seiner Kurzweil versammelt. |
Er erriet stets mit dem ihm angeborenen Spürsinn, wo ein Kavallerieregiment stand, und kam sofort angefahren, um den Herren Offizieren einen Besuch abzustatten; dann sprang er vor ihren Augen höchst gewandt aus seiner Equipage oder Droschke und war sofort mit ihnen bekannt. |
Bei den letzten Wahlen gab er dem Adel ein prachtvolles Diner, bei welcher Gelegenheit er öffentlich erklärte: falls er zum Adelsmarschall gewählt würde, wolle er aufs beste für die Herren Edelleute sorgen. |
Überhaupt benahm er sich stets als Grandseigneur, wie man sich in der Provinz auszudrücken pflegte; -- er heiratete ein recht hübsches Mädchen, das ihm zweihundert Bauernseelen und einige tausend Rubel als Mitgift in die Ehe brachte. |
Das Geld wurde sofort in einem Gespann von sechs prächtigen Pferden, vergoldeten Türschlössern, einem zahmen Hausaffen und einem französischen Hofmeister angelegt. |
Auf die zweihundert Seelen, die zusammen mit den eigenen zweihundert vierhundert ausmachten, wurde zur Förderung gewisser kommerzieller Unternehmungen, eine Hypothek aufgenommen. |
Mit einem Wort, er war ein Gutsbesitzer ^comme il faut^, d. |
ein höchst achtbarer und ehrenwerter Gutsbesitzer. Außer ihm nahmen noch einige andere Gutsbesitzer, über die aber nichts zu sagen ist, an dem Diner des Generals teil. |
Alle übrigen Gäste waren Militärs, die demselben Regiment angehörten; zwei von ihnen, ein Oberst und ein ziemlich dicker Major, waren Stabsoffiziere. |
Der General selbst war sehr kräftig und korpulent, im übrigen aber nach der Ansicht der Offiziere ein vortrefflicher Vorgesetzter, und hatte eine recht volle, gewichtige Baßstimme. |
Das Diner war ganz ungewöhnlich großartig. Der Stör, der Hausen, der Sterlet, die Trappgänse, der Spargel, die Wachteln, die Rebhühner und die Pilze -- legten Zeugnis davon ab, daß der Koch seit einem ganzen Tage nichts Alkoholisches zu sich genommen hatte; außerdem hatten ihm die ganze Nacht hindurch vier Soldaten mit Messern in den Händen bei der Zubereitung von Frikassees und Gelees helfen müssen. |
Eine Unmenge von langhalsigen Flaschen voll Haute Lafitte, und von kurzhalsigen voll Madeira, der wunderbare Sommertag, die sperrangelweit geöffneten Fenster, die auf dem Tische stehenden Teller mit Eis, die zerknitterten Hemden unter den weiten Fräcken, ein wahres Kreuzfeuer von Gesprächen, das von dem tiefen Baß des Generals übertönt und mit Champagner gelöscht wurde; dies alles paßte ganz vortrefflich zueinander. |
Nach dem Diner erhoben sich die Gäste mit der angenehmen Empfindung einer gewissen Magenfülle, zündeten sich Pfeifen mit langen und kurzen Röhren an und traten, mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf die Terrasse hinaus. |
»Ja, jetzt könnte man sie besichtigen,« sagte der General. » |
»Ach bitte, mein Lieber --«, sprach er zu seinem Adjutanten, einem jungen Herrn von recht sicherem Auftreten und angenehmem Äußeren, »lassen Sie doch die braune Stute herführen! |
Sie sollen gleich selbst sehen. |
Dabei tat der General einen Zug aus der Pfeife und blies den Rauch weit aus. » |
»Sie hat hier noch nicht die richtige Pflege: dieses verdammte Nest hat keinen einzigen anständigen Stall. |
Dabei ist es« -- er tat wieder zwei Züge aus der Pfeife -- »ein wirklich ganz famoser Gaul! |
»Besitzen Exzellenz ihn schon lange?« meinte Tschertokutzky, der gleichfalls ein paar Züge tat. |
»Paff paff paff pa... |
paff, oh, nicht gar so lange; es sind erst zwei Jahre her, daß ich ihn vom Gestüt bezogen habe. |
»Und haben Exzellenz ihn schon zugeritten erhalten« -- paff paff! -- »oder ihn erst hier zureiten lassen? |
Paff, paff, pa, pa, pa... |
a... |
ff. » |
»Erst hier«, und der General verschwand völlig in einer Rauchwolke. |
Inzwischen kam ein Soldat aus dem Stall herbeigesprungen, es ertönten Hufschläge, und kurze Zeit darauf erschien ein zweiter in einem weißen Kittel mit einem ungeheuren schwarzen Schnurrbart; er führte ein scheues zitterndes Pferd am Zaume, das plötzlich den Kopf erhob und den auf dem Boden kauernden Soldaten mitsamt seinem Schnurrbart beinahe in die Luft riß. |
»Na, na, Agraphena Iwanowna! |
sagte dieser, indem er das Tier unter die Terrasse führte. |
Die Stute hieß nämlich Agraphena Iwanowna; kräftig und wild wie eine südländische Schöne, schlug sie mit den Hufen dröhnend gegen die hölzerne Terrasse und blieb plötzlich stehen. |
Der General nahm die Pfeife aus dem Munde und besichtigte Agraphena Iwanowna mit zufriedener Miene. |
Selbst der Oberst kam die Stufen herunter gegangen und faßte Agraphena Iwanowna bei der Schnauze, und auch der Major strich Agraphena Iwanowna über die Beine; die übrigen aber schnalzten nur mit der Zunge. |
Tschertokutzky schritt die Treppe hinab und trat gleichfalls an sie heran. |
Der Soldat stand stramm, hielt den Zaum in der Hand, und sah den Besuchern mit einem solchen Ausdruck in die Augen, als ob er sie auffressen wollte. |
»Sehr, sehr gut!« meinte Tschertokutzky. »Ein echtes Rassepferd! |
Erlauben Exzellenz mir die Frage, welche Gangart es hat? |
»O, es hat eine recht gute Gangart; nur.... |
weiß der Teufel.... |
dieser Schafskopf von einem Feldscher hat ihm solche verteufelte Pillen eingegeben, und nun muß es schon seit zwei Tagen immerwährend niesen. |
»Ein prächtiges Tier, in der Tat! |
Haben Exzellenz auch die dazu gehörige Equipage? |
»Eine Equipage? |
Das ist doch aber ein Reitpferd! |
»Das weiß ich; ich habe Sie nur deshalb danach gefragt, Exzellenz, um zu erfahren, ob Sie auch einen Wagen für Ihre andern Pferde besitzen? |
»Hm, allzuviel Wagen habe ich ja nun gerade nicht. |
Offen gestanden möchte ich eigentlich schon lange eine moderne Equipage haben. |
Ich habe meinem Bruder, der jetzt in Petersburg lebt, schon darüber geschrieben, weiß aber nicht, ob er mir eine schicken wird oder nicht! |
»Meiner Meinung nach,« bemerkte der Oberst, »werden die besten Equipagen entschieden in Wien hergestellt, Exzellenz. |
Paff, paff, paff.... »Sie haben vollkommen Recht. |
»Ich besitze eine ganz außerordentlich schöne Equipage, Exzellenz, ein echtes Wiener Fabrikat. |
»Welche? |
Die, in der Sie hierhergefahren kamen? |
»Nein, das ist nur so ein Reisewagen, den ich bei meinen Reisen benutze, jene dagegen.... |
ist ganz entzückend leicht; wie eine Pflaumfeder, sage ich Ihnen: wenn Sie hineinsteigen, überkommt Sie ein Gefühl, gerade als ob -- mit Eurer Exzellenz Erlaubnis -- als ob Sie in der Wiege liegen und von der Amme hin und her geschaukelt werden! |
»Also ist sie wohl sehr bequem? |
»O sehr, sehr bequem; die Kissen und die Sprungfedern, alles sieht aus wie gemalt. |
»Das ist schön. |
»Und wie geräumig sie ist! |
Das heißt, Exzellenz, ich habe noch nie eine zweite gesehen, die ihr gleich käme. |
Als ich noch im Dienste stand, da habe ich einmal zehn Flaschen Rum und zwanzig Pfund Tabak im Kutschkasten untergebracht, und dazu hatte ich noch extra sechs Uniformen, sehr viel Wäsche und zwei Pfeifenrohre von beträchtlicher Länge bei mir, Exzellenz; außerdem könnte man in ihren Taschen noch einen ganzen Ochsen verstecken. |
»Das ist schön. |
»Ich habe viertausend Rubel für sie bezahlt, Exzellenz. |
»Nach dem Preise zu urteilen, muß sie sehr schön sein. Und Sie haben sie selbst gekauft? |
»Nein, Exzellenz, ich habe sie ganz zufällig erworben. |
Ein Kamerad von mir hatte die Equipage gekauft; ein ganz seltener Mensch, ein alter Jungfreund, mit dem Sie sicher auch innige Freundschaft schließen würden, Zwischen uns gab es kein Mein und Dein. |
Ich habe sie ihm im Kartenspiel abgewonnen. |
Würden Exzellenz nicht so freundlich sein und mir die Ehre erweisen, morgen bei mir zu Mittag zu speisen? Sie könnten dann auch gleich die Equipage besichtigen. |
»Ich weiß nicht, was ich Ihnen darauf antworten soll.... |
Ich allein, das wäre ein wenig.... |
Es sei denn, Sie gestatten, daß ich zusammen mit den Herren Offizieren....? |
»Natürlich sind mir die Herren Offiziere gleichfalls willkommen. |
Meine Herren! Ich würde es mir als große Ehre anrechnen, wenn ich das Vergnügen haben dürfte, Sie in meinem Hause zu sehen. |
Der Oberst, der Major und die übrigen Offiziere dankten mit einer höflichen Verbeugung. |
»Ich bin selbst der Meinung, Exzellenz, daß, wenn man sich einmal irgend ein Ding anschafft, es auch unbedingt gut sein muß; wenn es nicht gut ist, so sollte man es lieber gar nicht erst kaufen. Bei mir z. B..... |
Wenn Sie mir die Ehre erweisen wollen, mich morgen zu besuchen, werde ich Ihnen einige Gegenstände zeigen, die ich zu wirtschaftlichen Zwecken bei mir eingeführt habe.... |
Der General sah vor sich hin und blies eine Rauchwolke aus. |
Tschertokutzky war sehr zufrieden, daß er die Herren Offiziere zu sich eingeladen hatte; er bestellte schon im Geiste allerhand Saucen und Pasteten und wußte nicht, ob er sich zum Whist niedersetzen sollte oder nicht. Aber als die Herren Offiziere ihn mehrere Male dazu aufforderten, schien ihm eine Weigerung unvereinbar mit den Gesetzen des Anstandes zu sein -- und so nahm er denn gleich ihnen an einem Tische Platz. |
Er merkte gar nicht, wie sich ein Glas Punsch neben ihm einfand, das er in seiner Zerstreuung sofort leerte. |
Nach zwei Runden fand Tschertokutzky wieder ein Glas Punsch vor, und er leerte es abermals in seiner Zerstreuung, nachdem er zuvor erklärt hatte: »Es ist Zeit meine Herren, daß ich nach Hause komme, es ist wirklich Zeit. |
Übrigens setzte er sich gleich wieder, um noch eine weitere Partie zu spielen. |
Unterdessen hatten die Gespräche in den verschiedenen Zimmerecken ganz private Bahnen eingeschlagen. Die Whistspieler waren ziemlich schweigsam; die dagegen, die nicht mitspielten, sondern abseits auf dem Sofa saßen, unterhielten sich auf das eifrigste. |
In einer Ecke erzählte der Stabsrittmeister, auf ein Kissen gelehnt und mit der Pfeife im Munde, ziemlich frei und zwangslos von seinen Liebesabenteuern und hielt die Aufmerksamkeit des Kreises, der sich um ihn gebildet hatte, vollständig gefesselt. |
Ein außergewöhnlich dicker Gutsbesitzer mit kurzen Armen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit zwei ausgewachsenen Kartoffeln hatten, hörte ihm mit zuckersüßer Miene zu und bemühte sich nur, ihm mit seiner kurzen Hand von Zeit zu Zeit hinter den breiten Rücken zu langen, um ihm die Tabaksdose aus der Rocktasche zu ziehen. |
In einer anderen Ecke entspann sich ein ziemlich heißer Streit über das Exerzieren der Schwadronen, und Tschertokutzky, der schon zweimal einen Buben statt der Dame ausgespielt hatte, mischte sich plötzlich in das fremde Gespräch und schrie von seinem Tisch aus herüber: »In welchem Jahr war das?« oder »In welchem Regiment? |
ohne selbst zu bemerken, daß seine Frage sehr oft gar nichts mit dem Gegenstand der Unterhaltung zu tun hatte. |
Einige Minuten vor dem Souper, hörte der Whist endlich auf; er wurde aber noch im Gespräche fortgesetzt, und es schien, als ob alle Köpfe von ihm eingenommen seien. |
Tschertokutzky erinnerte sich recht gut, daß er sehr viel gewonnen, aber mit den Händen nichts einkassiert hatte, und daß er, als er sich vom Tisch erhob, sehr lange in der Haltung eines Menschen da stand, der kein Taschentuch bei sich hat. |
Inzwischen war das Souper serviert worden. |
Es versteht sich von selbst, daß kein Mangel an Weinen war, und daß Tschertokutzky sich manchmal fast gegen seinen eigenen Willen einschenken mußte, weil immer rechts und links von ihm ein paar Weinflaschen standen. |
Das Tischgespräch zog sich in die Länge, nahm aber eine etwas eigentümliche Wendung: ein Oberst, der die Kampagne von 1812 mitgemacht hatte, erzählte von einer Schlacht, die niemals stattgefunden hatte, und entfernte darauf, aus einem ganz unbegreiflichen Grunde, den Pfropfen von einer Karaffe und steckte ihn in den Kuchen. |
Kurz, als alle aufbrachen, war es schon drei Uhr, und die Kutscher mußten einige Personen wie einen Warenballen in die Arme nehmen und forttragen; Tschertokutzky aber verbeugte sich, als er schon im Wagen saß, trotz seiner aristokratischen Formen noch einmal so tief und mit einem solchen Schwunge, daß er, als er daheim anlangte, in seinem Schnurrbart zwei Kletten mit nach Hause brachte. |
Hier lag schon alles in tiefem Schlafe. Nur mit Mühe gelang es dem Kutscher, den Kammerdiener aufzufinden, der den Herrn durch den Salon geleitete, und ihn dem Stubenmädchen überantwortete; dieses folgte Tschertokutzky, so gut es ging, bis zum Schlafzimmer, wo er sich neben seinem jungen, hübschen Frauchen, das in seinem schneeweißen Nachthemd höchst anmutig dalag, ins Bett fallen ließ. |
Die Erschütterung, die dieser Fall ihres Ehegatten verursachte, weckte sie aus dem Schlaf. |
Sie reckte sich, schlug ihre Augen auf, kniff sie ganz rasch dreimal hintereinander zusammen, und öffnete sie wieder mit einem schmollenden Lächeln; da sie aber sah, daß er ihr diesmal durchaus keine Liebkosung erweisen wollte, drehte sie sich verdrossen auf die andere Seite um und schlief, die frische Wange auf die Hand gestützt, bald wieder ein. |
Es war eine Tageszeit, die auf dem Lande keineswegs für besonders früh angesehen wird, als die junge Herrin neben dem schnarchenden Gemahl erwachte. Sie erinnerte sich, daß er gestern erst gegen 4 Uhr nachts nach Hause gekommen war, und es tat ihr leid, ihn zu wecken. |
So schlüpfte sie denn in ihre Morgenschuhe, die sich ihr Gatte aus Petersburg verschrieben hatte, trat mit einem weißen Negligé bekleidet, das an ihr herabfloß wie ein rieselndes Gewässer, in ihr Ankleidezimmer, wusch sich mit Wasser, das so frisch war wie sie selbst, und ließ sich vor dem Toilettenspiegel nieder. |
Nachdem sie einige prüfende Blicke hineingeworfen hatte, stellte sie fest, daß sie heute äußerst vorteilhaft aussah. |
Dieser anscheinend unbedeutende Umstand veranlaßte sie, genau zwei Stunden länger als gewöhnlich vor dem Spiegel zu verbringen; endlich zog sie sich sehr niedlich an und begab sich in den Garten, um sich etwas zu erfrischen. |
An diesem Morgen war das Wetter so herrlich, wie es nur ein südlicher Sommertag hervorzubringen vermag. |
Die Sonne, die bereits den Höhepunkt überschritten hatte, sengte einen mit der ganzen Glut ihrer Mittagsstrahlen. Aber unter dem Laub der Alleen konnte man, ohne von ihnen belästigt zu werden, spazieren gehen. Die von der Sonne erwärmten Blumen verdreifachten ihren Duft. |
Die hübsche Hausfrau hatte ganz vergessen, daß es bereits zwölf Uhr geschlagen hatte, und daß ihr Gatte noch immer nicht erwacht war. |
Schon drang das nachmittägliche Schnarchen zweier Kutscher und eines Groom, die im Stall hinter dem Garten schliefen, an ihr Ohr, sie aber weilte noch immer in der lauschigen Allee, von der sie einen freien Blick nach der Landstraße hin hatte, und blickte zerstreut in die menschenleere Einsamkeit, als plötzlich eine Staubwolke, die sich in der Ferne erhob, ihre Aufmerksamkeit fesselte. |
Sie spähte scharf hin und unterschied bald einige Wagen. |
Voran fuhr eine offene, zweisitzige Equipage, in der der General saß, dessen schwere Epauletten in der Sonne glänzten, und neben ihm saß der Oberst. |
Dieser folgte eine zweite, viersitzige; sie barg den Major mit dem Adjutanten des Generals und noch zwei Offizieren, die ihnen gegenüber saßen. Dann kam die allgemein bekannte Regimentsdroschke, die diesmal im Besitze des dicken Majors war. Hinter der Droschke fuhr ein viersitziger Bon-Voyage her, in dem vier Leutnants Platz genommen hatten, während ein fünfter in ihren Armen ruhte. Und endlich hinter diesem gewahrte man drei Offiziere auf herrlichen dunklen Apfelschimmeln. |
»Kommen sie wirklich zu uns? |
fragte sich die Hausfrau. » |
»Ach, Herrgott! |
Sie wenden und fahren tatsächlich auf die Brücke zu. |
Sie schrie auf, schlug die Hände zusammen und lief über Beete und Blumen hinweg direkt in das Schlafzimmer ihres Mannes. |
Dieser lag noch immer da und schlief wie ein Toter. |
»Steh auf! |
Steh schnell auf! |
rief sie und packte ihn am Arm. |
»Wie? |
gähnte Tschertokutzky, der sich mächtig reckte, ohne die Augen zu öffnen. |
»Steh auf, Männe! |
Hörst du, die Gäste kommen! |
»Gäste? Was für Gäste? |
Nach diesen Worten grunzte er leise vor sich hin wie ein Kalb, das mit der Schnauze das Euter der Mutter sucht. » |
»Hm, hm! |
brummte er, »reich mir doch dein Hälschen her, mein Herzblatt, ich will dir einen Kuß geben. |
»Beeile dich doch um Gotteswillen mit dem Aufstehen, Schatz! |
Der General kommt mit seinen Offizieren. |
Ach, Herrgott, du hast ja eine Klette im Schnurrbart! |
»Der General? |
Was, er kommt schon? |
Aber weshalb hat mich denn, hol's der Teufel, niemand geweckt? |
Und das Diner? Was ist mit dem Diner? Ist auch alles fertig, wie es sich gehört? |
»Was für ein Diner? |
»Hab ich denn keins bestellt? |
»Du? |
Du bist ja erst um 4 Uhr nachts nach Hause gekommen? So sehr ich mich auch bemühte, dich auszufragen, du wolltest mir nicht antworten. |
Ich habe dich nicht geweckt, Männe, weil du mir leid tatest. |
Die letzten Worte sagte sie mit einer äußerst schmachtenden und bittenden Stimme. |
Eine Minute lang lag Tschertokutzky mit weit aufgerissenen Augen wie vom Blitz getroffen auf seinem Lager. |
Endlich sprang er im bloßen Hemde aus dem Bette, wobei er garnicht daran dachte, daß das eigentlich unanständig sei. |
»Ach ich dummes Pferd! |
sagte er und schlug sich an die Stirn. » |
»Ich habe sie ja zum Mittagessen eingeladen. |
Was tun? |
Sind sie noch weit von hier? |
»Ich weiß nicht. |
Sie müssen jeden Augenblick eintreffen. |
»Verstecke dich, Schatz. |
He! Wer da! |
Du Mädel, komm mal her! |
Was fürchtest du dich, dumme Gans? |
Die Offiziere können jeden Augenblick hier sein! |
Sag ihnen, der Herr sei nicht zu Hause. Sage, daß er heute garnicht mehr zurückkommt, er sei schon ganz früh am Morgen abgereist. Hörst du, und sage es auch allen Knechten und Mägden! |
Geh schnell! |
Mit diesen Worten packte er eiligst den Schlafrock zusammen und lief spornstreichs in die Remise, um sich dort zu verstecken, da er hier am sichersten zu sein glaubte. |
Als er es sich aber in einem Winkel bequem machen wollte, sah er, daß er auch hier noch bemerkt werden könne. » |
»Das da wird besser sein,« schwirrte es ihm durch den Kopf; sofort ließ er das Trittbrett der gerade dastehenden Equipage herunter, sprang in sie hinein, schlug die Türe hinter sich zu, bedeckte sich vorsichtshalber mit dem Vorhang und dem Lederschurz und saß mäuschenstill da, indem er sich in seinen Schlafrock hüllte und niederkauerte. |
Unterdessen waren die Wagen bei der Terrasse vorgefahren. |
Der General stieg heraus und schüttelte sich tüchtig. Nach ihm erschien der Oberst, der den Federbusch auf seiner Mütze zurechtrückte. |
Dann sprang der dicke Major mit dem Säbel unter dem Arm heraus, sodann entstiegen die schlanken Leutnants mitsamt dem Fähnrich, der auf ihren Armen gesessen hatte, dem Bon-Voyage, und endlich saßen die drei Reiter ab. |
»Der Herr ist nicht zu Hause!« sagte der Lakai, der sich auf die Terrasse hinausbegeben hatte. |
»Wieso nicht zu Hause? |
Er kommt aber doch zum Mittagessen? |
»Nein, der Herr ist für den ganzen Tag verreist. |
Er wird frühestens morgen um diese Zeit zurückerwartet! |
»Da haben wir's! |
sagte der General. » |
»Wie kommt denn das? |
»Das muß ich sagen, das ist aber ein schöner Streich,« sagte der Oberst lachend. |
»Nein, wie kann man nur so etwas tun? |
fuhr der General ziemlich ärgerlich fort. |
»Ja.... |
zum Teufel!.... |
Wenn du einen nicht empfangen kannst, weshalb lädst du uns denn dann ein? |
»Ich verstehe nicht, wie man so etwas tun kann, Exzellenz!« sagte ein junger Offizier. |
»Was? |
fragte der General, der dieses Fragewort stets anzuwenden pflegte, wenn er mit einem Offizier sprach. |
»Ich meinte nur, wie kann man bloß so handeln, Exzellenz? |
»Natürlich! |
Ja, wenn es absolut nicht anders geht usw., so teilt man es einem doch wenigstens vorher mit, oder man ladet einen lieber überhaupt nicht erst ein. |
»Ja, Exzellenz, was können wir tun? Wollen wir nach Hause fahren? |
sagte der Oberst. |
»Selbstverständlich! Es bleibt uns ja gar nichts anderes übrig. |
Aber wir können uns schließlich die Equipage auch ohne ihn ansehen. |
Er wird sie wohl kaum mitgenommen haben. |
He, holla, wer ist da? komm mal her, Brüderchen! |
»Zu Befehl! |
»Bist du der Stallknecht? |
»Jawohl, Eure Exzellenz! |
»Zeig uns doch mal die neue Equipage, die dein Herr sich unlängst angeschafft hat! |
»Bitte, kommen Sie mit mir in die Remise! |
Und der General begab sich mitsamt den Offizieren dorthin. |
»Gestatten Sie, ich werde sie ein wenig herausziehen. Hier ist es zu dunkel! |
»Genug, genug, es ist schon gut! |
Der General und die Offiziere gingen um die Equipage herum und sahen sich die Räder und Sprungfedern sorgfältig an. |
»Hm, das ist doch nichts Besonderes,« meinte der General. »Eine ganz gewöhnliche Equipage! |
»Ein höchst unansehnliches Ding,« bestätigte der Oberst. »An der ist wahrhaftig nicht viel Gutes zu entdecken. |
»Mir scheint, Exzellenz, sie ist gar keine 4000 Rubel wert,« meinte einer der jungen Offiziere. |
»Was? |
»Ich sage, daß sie meiner Meinung nach gar keine 4000 Rubel wert ist, Exzellenz! |
»Ach was! 4000! |
Sie ist keine 2000 wert! |
An dem Ding ist doch gar nichts dran! |
Es müßte denn sein, daß es drinnen etwas Besonderes zu sehen gibt. |
Bitte, mein Lieber, schnalle doch mal den Lederschurz ab. |
Und Tschertokutzky bot sich den Blicken der Offiziere dar; er saß in seinen Schlafrock gehüllt, in einer seltsamen Stellung zusammengekauert am Boden der Kutsche. |
»Ach, Sie sind hier ? |
sagte ganz verdutzt der General. |
Er schlug die Tür zu, bedeckte Tschertokutzky mit dem Schurz und fuhr mit seinen Herren Offizieren von dannen. |